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ABSTRACT - Die Militärorganisation von Freiburg i.Ue. im Mittelalter (1350-1550).

Les troupes de Berne et de Fribourg en route pour une campagne contre la Savoie en 1308, illustration de la Spiezer Chronik (1485) de Diebold Schilling (Bibliothèque de la Bourgeoisie de Berne, Mss.h.h.I.16, p. 149). Les troupes de Berne et de Fribourg en route pour une campagne contre la Savoie en 1308, illustration de la Spiezer Chronik (1485) de Diebold Schilling (Bibliothèque de la Bourgeoisie de Berne, Mss.h.h.I.16, p. 149).

 

Zusammenfassung der 2023 an der Universität Bern eingereichten und angenommenen Dissertation von Mathijs Roelofsen, Mitglied der SVMM.

In den Städten des Schweizer Mittellands zeugen Stadtmauern, Zeughäuser und Militariasammlungen vom bedeutenden militärischen Vermögen der städtischen Gemeinschaften des Spätmittelalters. Deren Geschichte ist jedoch nur unvollständig erforscht. Die ist einerseits auf die Skepsis der Historiker gegenüber der Militärgeschichte nach dem Zweiten Weltkrieg zurückzuführen. Andererseits wurde die Geschichte des militärischen Potenzials der Städte vernachlässigt, da sich die französische und englische Forschung in erster Linie mit fürstlichen Heeren beschäftigte. Das Nationalfondsprojekt „Martial Culture in Medieval Towns“ (2018-2022) schlug eine Erneuerung dieses Forschungsfeldes vor, indem es sich auf die alle den Krieg betreffenden Aspekte («martial culture») der Schweizer Stadtgemeinden zwischen 1350 und 1550 konzentrierte. Diese «martial culture» / «culture martiale» (ein Begriffe, der keine deutsche Entsprechung hat) ist an der Schnittstelle zwischen dem gesetzlichen Rahmen, dem politischen Willen, den wirtschaftlichen Kapazitäten und den sozialen und technologischen Entwicklungen in den Städten angesiedelt.

Wie seine Nachbarstädte mobilisierte auch Freiburg seine männliche Bevölkerung, um seine Mauern zu verteidigen und in den Krieg zu ziehen. Solche Ereignisse zeigen das militärische Potenzial der Städte in herausragenden Momenten. Sie fanden ihre Basis in den institutionellen, sozialen und geografischen Strukturen der städtischen Gemeinschaft und der umliegenden Landschaften. Durch die Analyse der funktionalen Aspekte der militärischen Organisation Freiburgs zwischen 1350 und 1550 wird es möglich, die Vielfalt der Verbindungen zwischen dem Militärsystem und der städtischen Gesellschaft zu beobachten, die über die einfache Mobilisierung von Truppen in Konfliktzeiten hinausgehen.

Um die Art dieser Verbindungen zu bestimmen, stützt sich meine Dissertation auf wichtige Archivbestände des Staatsarchivs Freiburg, die eine grosse Fülle an militärischen Dokumenten enthalten: Listen von Handwerkszünften und Kirchengemeinden, die zu militärischen Expeditionen entsandt wurden, Inventare von Rüstungsteilen, die in den Haushalten der Stadt aufbewahrt wurden, Zählungen von Artilleriegeschützen, die auf den Stadtmauern stationiert waren und Satzungen von militärischen Gesellschaften, den sogenannten «Reisgesellschaften». Quantitative und serielle Analysen, die sich auf administrative und buchhalterische Quellen stützen, beleuchten den Einfluss der wirtschaftlichen Hierarchie auf den Besitz von militärischer Ausrüstung, die Anpassung des Systems der Truppenrekrutierung an die Ausdehnung des Freiburger Territoriums und die Stärkung der militärischen Fähigkeiten der Stadt durch die Vergrösserung des städtischen Waffenparks.
Um militärische Expeditionen zu unternehmen und Belagerungen durchzustehen, griff die Stadt nicht nur auf städtische Feuerwaffen und Armbrüste zurück, sondern auch auf Rüstungen, Vorräte (Salz und Weizen) und Pferde, die im Besitz von Einzelpersonen waren. Ein Vergleich der Aufwandlisten mit den Steuerdaten der Mitte des 15.Jahrhunderts zeigen, dass Beitrag der Haushalte zu den militärischen Fähigkeiten direkt an den vorhandenen Besitz geknüpft war; wohlhabende Personen und Haushalte mussten zugunsten der Allgemeinheit mehr Ausrüstung unterhalten als weniger reiche.

In ähnlicher Weise beruhte die Entwicklung der militärischen Rolle der «Reisgesellschaften» ab 1460 auf bereits bestehenden beruflichen und geografischen Strukturen. So mussten die Handwerkszünfte in den Städten und die Kirchengemeinden auf dem Land ihre Mitglieder für militärische Feldzüge zur Verfügung stellen, was eine flexible und erleichterte Rekrutierung in bewaffnete Kompanien ermöglichte, die nach dem Vorbild der Handwerkszünfte organisiert waren. Dieses Jahrzehnt markiert auch den zunehmenden Rückgriff auf Randgebiete und verbündete Städte, um die Freiburger Heere zu besetzen. Die Pfarrbezirke auf dem Land, die nach den Burgunderkriegen eroberten Gebiete und die verburgrechteten Städte wurden so immer wichtiger, bis sie im 16. Jahrhundert die grosse Mehrheit der Truppen stellten.

Parallel zu den Entwicklungen bei der Truppenrekrutierung wurden die Stadtmauern ausgebaut und die Verwaltung des Artillerieparks wurde immer komplexer, was die Einstellung von Spezialisten (Artilleriemeister) und Handwerkern (Glockengiesser, Schreiner, ...) erforderte und zur Schaffung spezieller Posten in der städtischen Buchhaltung führte. Die Beschaffung von Artilleriegeschützen und Materialien stützte sich auf ein großes Handelsnetz, wobei die Stadt ihre Waren vor allem in Genf, Basel und Nürnberg bezog. Tragbare Feuerwaffen, Armbrüste und Rüstungsteile wurden in Konfliktsituationen an kampffähige Männer verteilt. Diese Massnahmen zeigen somit den Willen der Stadtbehörden, die Verteidigungsfähigkeit der Stadt zu stärken und im weiteren Sinne die politische Autonomie der Stadt zu bekräftigen.

Während Stadtstaaten wie Luzern oder Zürich Freiburg in Bezug auf die militärische Organisation mehr oder weniger ähnlich waren, wiesen andere Städte in der heutigen Westschweiz ein geringeres und weniger komplexes militärisches Vermögen auf. Doch trotz Unterschieden lassen sich die rechtlichen, administrativen und militärischen Strukturen der verschiedenen Orte auf grundlegender Ebene vergleichen: Allgegenwärtige militärische Mobilisierung der städtischen Gemeinschaften, unabhängig von den politischen Strukturen, in die sie eingebunden waren; Festlegung des Mobilisierungsrahmens durch das Gesetz (Stadtrechtsurkunden / Privilegien oder Verordnungen); ganz oder teilweise vom Herrn bedingte Truppenrekrutierung; teilweise oder vollständige Verwaltung der materiellen Aspekte, die mit der militärischen Organisation verbunden sind. Diese Merkmale weisen darauf hin, dass sich die militärischen Kulturen der Städte nicht grundsätzlich, sondern vor allem bezüglich der Komplexität voneinander unterschieden.

 

Mathijs Roelofsen

Je m'intéresse activement aux questions liées à la préservation du patrimoine documentaire (physique, numérique) et historique. Je cherche actuellement à étendre mes horizons professionnels à la gestion des archives numériques, au Records management et à la gouvernance des données. Mon engagement au sein des archives d'institutions cantonales (Fribourg, Neuchâtel) m'ont apporté une expérience de première main dans la gestion, la catégorisation et l'évaluation des documents. L'écoute des collaborateurs et la compréhension des processus de travail sont pour moi au coeur d'un système d'archivage efficient.