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J. A. Meier und M Höchner (Hrsg.): Schwert, Säbel, Seitenwehren. Bernische Griffwaffen 1500-1850.

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Rezension zu: J. A. Meier und M Höchner (Hrsg.): Schwert, Säbel, Seitenwehren. Bernische Griffwaffen 1500-1850.

Das von J. A. Meier und M. Höchner herausgegebene Buch ist ein Nachschlagewerk für die Griffwaffen in den Sammlungen des Bernischen Historischen Museums (im Folgenden BHM), aber auch ein Musterbeispiel für Sammlungskataloge, da es in seiner Konzeption weit über einen Fachkatalog hinausgeht. Es ersetzt und erweitert den 1929 von R. Wegeli herausgegebenen Katalog (Schwerter und Dolche) erheblich. Dieses Werk ist das Ergebnis eines Projekts, das seit 40 Jahren im Entstehen begriffen war. Es begann mit einer Archivrecherche durch den Waffenkundespezialisten Jürg A. Meier im Rahmen der Sonderausstellung der BHM "Vom Schweizerdolch zum Bajonett" im Jahr 1981. Im Jahr 2018 wurde das Projekt von J. A. Meier konkretisiert und mit Marc Höchner, dem Verantwortlichen für die Sammlungen europäischer Waffen am BHM, als Co-Autor finalisiert.


Das Herzstück des Buches bildet der Katalog von 52 ausgewählten Objekten (63-181), die repräsentativ für verschiedene Waffentypen unter den sogenannten Griffwaffen im Zeitraum zwischen 1500 und 1850 sind. Deren Definition wurde zudem überarbeitet und kommentiert (11). Die Periodisierung wird begründet mit der ersten archivalischen Erwähnung der Zusammenstellung einer bernischen Bewaffnung durch die Stadtregierung und mit dem Bundesreglement von 1852, das auf eine materielle Reorganisation der kantonalen Truppen in eine Bundesarmee abzielte (12). Die ebenfalls erläuterte Bezeichnung "bernisch" (12) wird durch einen Hinweis auf den Besitz durch den Stadtstaat resp. Kanton, den Besitz einer Person, die in Bern wohnte oder diente, die lokale Produktion oder die Wahl als Ausrüstung der bernischen Miliz gerechtfertigt. 36 der 52 vorgestellten Objekte stammen aus den Sammlungen des BHM, die restlichen 16 aus anderen Institutionen oder aus privaten Sammlungen. Die einzelnen Einträge im Katalog bestehen aus einem kurzen Textteil (1-2 Seiten), Fotografien der Objekte (138 Gesamt- und oder Detailfotos) und Abbildungen aus ikonografischen Sekundärquellen (insgesamt 11).

Die Publikation leistet einen wichtigen Beitrag zur bernischen Militärgeschichte, indem sie ausgehend von der Untersuchung der materiellen Kultur ausgewählter Waffengattungen die politischen, sozialen und wirtschaftlichen Dimensionen miteinbezieht. Dieses Vorhaben ist gelungen, denn die Qualität (und die Lesbarkeit) der verschiedenen Katalogeinträge und die drei wissenschaftlichen Beiträge, die das Buch eröffnen, fügen sich optimal zusammen. Im ersten Beitrag korrigiert André Holenstein (15-32) die alten historiografischen Diskurse über die bernische Militärgeschichte, indem er die politischen, wirtschaftlichen und technischen Entwicklungen der Streitkräfte in den größeren Kontext des modernen Europas einordnet. Er zeigt auf, auf welche Weise die Republik Bern auf der Grundlage der Miliz und einer klugen Außenpolitik eine effektive Streitmacht entwickeln und aufrechterhalten konnte, ohne die hohen Kosten für den Aufbau einer stehenden Armee zu tragen. Marc Höchner (33-44) untersucht im zweiten Beitrag den Aufbau und die Aufrechterhaltung der Miliz, ausgehend von der Prüfung der Waffenkäufe. Er weist nach, dass das aus der mittelalterlichen Tradition stammende, aber bis ins 18. Jahrhundert beibehaltene Selbstbewaffnungsprinzip die gemeinschaftlichen Waffenkäufe der Behörden, die er genau aufschlüsselt, ergänzte. Sein Beitrag beschränkt sich nicht auf eine buchhalterische und technische Studie, sondern auf eine Würdigung der Machtstrukturen, die den Rahmen für die Vorschriften bildeten und die Waffenkontrolle gewährleisteten. Abschliessend bietet der Beitrag von Jürg A. Meier (45-61) eine Geschichte der Griffwaffen, die sich auf Archivmaterial, Gegenstände und Ikonografie stützt. Er gibt einen sehr klaren Überblick über die verschiedenen Formen, Typen und Nomenklaturen der Waffen, was wahrlich kein einfaches Vorhaben ist. Dieser Beitrag erlaubt auch einen Einblick in die Symbolik und Kultur dieser Waffen und ihre Verwendung am Beispiel der bernischen Eigenheiten, die durch Vergleiche mit angrenzenden oder weiter entfernten Räumen in einen grösseren Zusammenhang gestellt werden.

Das Buch ist mit 948 Fußnoten (aufgeteilt in 395 für die Einleitung und die wissenschaftlichen Beiträge und 553 für den Katalog), einer umfangreichen und aktuellen Bibliografie mit Einzelheiten zu den Archivquellen (194) und den gedruckten und edierten Quellen (195-196) sowie der Forschungsliteratur (197-207) sehr gut dokumentiert. Die Anhänge (210-240) enthalten Folgendes: 1. Die komplett materiell-technische Beschreibung der Waffen (210-229), zur besseren Lesbarkeit vom Haupttext eingerückt, 2. eine Konkordanz (230-231), die die 48 Zweihänder der Sammlungen mit ihrer Datierung, den Nummern, die dem alten Inventar, dem Katalog von Wegeli (1929) entsprechen, und ihren technischen Daten, einschließlich des Vorhandenseins von Fabrikationszeichen, den Erwähnungen in den Archivdokumenten des Berner Zeughauses, den Typen von Klingen und Gefäss, sowie ihren Maßen (Gewicht und Gesamtlänge) umfasst, 3. eine zusammenfassende Tabelle der Waffenkäufe des Berner Zeughauses zwischen 1685 und 1798 (232-233), mit Wertangaben und Herkunft der Käufe (Schweiz oder Ausland), 4. ein Glossar mit technischem Vokabular (234-234) und schliesslich 6. eine illustrierte Typologie (236-240) der fünf wichtigsten Untertypen der behandelten Waffen (Zweihänder, Schwertgefäss, Degen, Säbel, Faschinenmesser).

Es fehlt ein vollständiges Abbildungsverzeichnis (nur ein Abbildungsnachweis ist auf S. 207 verfügbar) und ein Index der zitierten Personen und Orte. Dies wäre eine sinnvolle Ergänzung, dokumentieren die verschiedenen Einträge im Katalog doch die bernischen Lokalgeschichte und tragen zu deren Verständnis bei. Ein Index der erwähnten Personen und Orte wäre ein willkommenes Suchinstrument gewesen. Die Gesamtheit der drei wissenschaftlichen Beiträge und der Katalogeinträge bietet somit einen sehr umfassenden und detaillierten Überblick über die Geschichte der bernischen Griffwaffen 1500-1850. Spezialist:innen finden hier eine wertvolle, von Experten verfasste Zusammenschau sowie eine angemessene Dokumentation der neueren Forschungen zu bernischen Griffwaffen. Nicht-Spezialist:innen werden hingegen wahrscheinlich überrascht sein, eine zugängliche Lektüre einer Geschichte zu finden, die sich nicht auf die technische Beschreibung der Waffen beschränkt, sondern in die conditio humana (14) der Menschen einführt, die die bernischen Griffwaffen herstellten, bedienten oder erlitten.

Referenzen:

Jürg A. Meier, Marc Höchner: «Schwerter, Säbel, Seitenwehren: Bernische Griffwaffen 1500–1850», Bern, Bernisches Historisches Museum 2021, ISBN: 978-3-9524783-4-9, 244 Seiten, 170 Abb., 48.-