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MEINUNG – Dufour, ein berühmter jedoch verkannter Mann – Eine Rezension des Buches von Joseph Jung durch Dominique Andrey

MEINUNG – Dufour, ein berühmter jedoch verkannter Mann – Eine Rezension des Buches von Joseph Jung durch Dominique Andrey NZZ-Libro

Ich hatte schon immer ein großes Interesse an Guillaume Henri Dufour, sowohl an seiner Person als auch an seinen Leistungen. Das hängt wahrscheinlich mit meiner Leidenschaft für Geschichte, meiner Ausbildung als Bauingenieur und meiner Karriere bei den Festungstruppen zusammen. Da ich nicht den Eindruck habe, alles über ihn zu wissen, freute ich mich darauf, mich auf die Entdeckung des kürzlich von Professor Joseph Jung und anderen Autoren herausgegebenen biografischen Werks zu begeben. Und ich wurde nicht enttäuscht.

Dufour ist bekannt durch seinen Ruf - obwohl dieser bei der jüngeren Generation leider mehr als diffus ist; er ist zwar eine illustre Persönlichkeit der Schweizer Geschichte. Aber in den meisten Fällen bleibt dieser Ruf sehr allgemein, ohne genaues Wissen, was die Person getan hat, um ihn zu verdienen; Dufour ist kein Unbekannter, er ist ein Verkannter! Dieses Buch bietet die Möglichkeit, ihn, der unser Land im 19. Jahrhundert geprägt hat, (besser) kennen zu lernen. Es geht aber weit über eine einfache chronologische oder thematische Auflistung von Aktivitäten und Errungenschaften hinaus. Es erklärt die Dinge und ihren Kontext, das Warum und das Wie von Situationen und Entwicklungen und ermöglicht es so, Dufours Engagement zu verstehen. Es ist ebenfalls vom Vorteil, dass im Buch mehrere externe Autoren mit der Person Dufours konfrontiert wurden und als Experten in ihren spezifischen Fachgebieten Beiträge verfassten. So finden die Leserinnen und Leser neben dem biografischen Rahmen auch die unterschiedlichen Teile der Karriere des Generals, Ingenieurs, Kartografen und Politikers, die sie bislang vielleicht übersehen haben. Das Ergebnis ist sowohl inhaltlich anregend als auch in der Form vielfältig.

Dufour ist kein Unbekannter, er ist ein Verkannter!

Es handelt sich zwar um eine Biografie, um die Geschichte von Dufours Leben mit all seinen Höhepunkten und bedeutenden Leistungen. Aber es ist keineswegs eine Hagiografie, zum Glück! Obwohl man die intellektuellen und menschlichen Stärken der Person deutlich spürt, sieht man hier und da einige Schwächen; und das ist auch gut so: Dufour war beileibe kein Übermensch. Er hatte klare Vorstellungen, hervorragende analytische Fähigkeiten, eine akribische Liebe zum Detail, eine große Arbeitskraft, eine durchdachte Entscheidungsfähigkeit und eine offensichtliche Begabung, sich zu erklären. Aber er verstand es auch, sich mit kompetenten Stellvertretern zu umgeben, denen er Anweisungen geben und vertrauen konnte. Das war ein Profil, das in vielen Positionen und Situationen nützlich war; aber das traf nicht exklusiv auf unseren Mann zu. Das Buch zeigt indirekt, dass Dufour sich wiederholt als "die richtige Person, zur richtigen Zeit, am richtigen Ort" wiederfand. Es war diese Verkettung von Gelegenheiten und erfolgreich erfüllten Aufgaben, die nach und nach die bemerkenswerte Karriere aufbaute, die er durchlief. Dufour war General, und Ingenieur, und Kartograph, und Politiker; es hätte jedoch teilweise anders sein können. Wenn sich die Gelegenheiten nicht ergeben hätten, wäre er vielleicht weniger bekannt und weniger berühmt geblieben...

Das Buch zeigt indirekt, dass Dufour sich wiederholt als "die richtige Person, zur richtigen Zeit, am richtigen Ort" wiederfand. Es war diese Verkettung von Gelegenheiten und erfolgreich erfüllten Aufgaben, die nach und nach die bemerkenswerte Karriere aufbaute, die er durchlief.

Die Lektüre ermöglicht es zudem, in die Schweiz des 19. Jahrhunderts einzutauchen. Man findet in Kurzform die Situationen, die Spannungen und die Entwicklungen der politischen, sozialen, wirtschaftlichen und technologischen Welt zu einem entscheidenden Zeitpunkt in der Geschichte unseres Landes. Das erklärt den Kontext, in dem Dufour lebte, und die inhaltlichen und zeitlichen Gründe für die oben erwähnten Gelegenheiten gut. Dieser Einblick ist erfrischend und erinnert zu Recht daran, dass die Zeiten für die Eidgenossenschaft nicht immer einfach, ruhig und friedlich waren. Das Buch konzentriert sich also nicht nur auf die Person Dufours, auch wenn diese der rote Faden bleibt. Es ermöglicht, die Persönlichkeit des Mannes aus verschiedenen Blickwinkeln zu verfolgen und zu verstehen; ich möchte drei davon herausgreifen, die sich durch das Buch ziehen: humanistisch, weil er in seinen Denkansätzen und Interessensgebieten sehr offen war; menschlich, weil er sich an seinen Untergebenen und deren Fähigkeiten orientierte; humanitär, weil er sich der Folgen bewaffneter Konflikte bewusst war.

Es ist ein Buch, das zu lesen sich sehr lohnt. Man erfährt mehr, als man zu wissen glaubte, oder sieht zumindest manche Dinge aus einem anderen Blickwinkel. Denn, wie Divisionär Edgar Schumacher sagte: "Dufour studieren heisst, ihn am Ende zu lieben". Hoffen wir also, dass es viele Leserinnen und Leser gibt und dass eine verdiente Übersetzung ins Französische diese Zahl erhöht (... und Dufour erlaubt, das Buch ebenfalls lesen zu können!).

Denn, wie Divisionär Edgar Schumacher sagte: "Dufour studieren heisst, ihn am Ende zu lieben"!

Référence du livre présenté (n’existe qu’en allemand) :
Joseph Jung (Hg.) 2022, Einigkeit, Freiheit, Menschlichkeit – Guillaume Henri Dufour als General, Ingenieur, Kartograf und Politiker. NZZ Libro, Basel, ISBN 978-3-907396-1

Siehe auch PUBLIKATION – Einigkeit, Freiheit, Menschlichkeit Guillaume Henri Dufour als General, Ingenieur, Kartograf und Politiker

Dominique ANDREY

Cdt C (lib)

Président ASHSM/SVMM